Was ist die größte Veränderung im Berufsstand der Steuerberater in Finnland (und Skandinavien) in den letzten zehn Jahren?
Tuomas Tahvanainen: Die zunehmende Einführung von zeitnahen Daten, die auch für Steuerberatungsunternehmen eine umfassendere Beratung ermöglicht. Und wir sehen ein wachsendes Angebot an Beratungsdienstleistungen in der Buchhaltungs- und Steuerberatungsbranche.
Rainer Haude: In den skandinavischen Ländern werden schon heute wesentlich mehr Buchhaltungen rein digital durchgeführt. Schweden, Norweger und Finnen gehen das Thema pragmatisch und lösungsorientiert an. Wenn der Prozess dem Unternehmen oder der Allgemeinheit hilft, wird das Projekt durchgezogen. Ein Grund: Die skandinavischen Länder haben wenig Berührungsängste mit der digitalen Welt. Deshalb leben sie digitale Prozesse bereits seit vielen Jahren, auch im Rechnungswesen und in der Steuerberatung. Beispiel – Vergleich: In AT 77% aller Zahlungen unter 10 EUR erfolgen mit Bargeld. In Finnland nutzen 93% (!) kontaktloses digitales Zahlen.
Wie viel Prozent der Steuerberater arbeiten überwiegend digital? Welche Standardprozesse sind digitalisiert?
Tuomas Tahvanainen: Die Steuererklärungen sind mehr oder weniger komplett automatisiert und digitalisiert. Das schafft auch unterschiedliche Rollen in der Steuerberatung.
Rainer Haude: Auch in meiner Wahrnehmung ist es so, dass der Großteil der Steuerberater:innen digital arbeitet. Belege werden standardmäßig digital ausgetauscht, aber auch die kanzleiinternen Prozesse sind über die entsprechenden Softwareprogramme automatisiert und digitalisiert. Vor allem erfolgt die Zusammenarbeit mit dem Klienten praktisch zu 100 Prozent digital.
Welches Image hat der Beruf des Steuerberaters in Skandinavien? Gibt es (genügend) junge Talente?
Tuomas Tahvanainen: Im Allgemeinen wird der Beruf des Steuerberaters geschätzt, aber er ist nicht der beliebteste Beruf unter jungen Studenten. Dies führt dazu, dass es in der Regel viele Jobchancen und Möglichkeiten für junge Fachkräfte gibt.
Rainer Haude: In meiner Wahrnehmung ist in Skandinavien der Fachkräftemangel in der Steuerberater-Branche ein vielleicht noch größeres Thema als in Österreich. Dieser Herausforderung kann man eigentlich nur mit Digitalisierung und Automatisierung begegnen. Das ist auch einer der Gründe, warum die Digitalisierung so schnell und umfassend vorangegangen ist. Generell hilft die Digitalisierung nicht nur die Arbeitsweise effizienter zu gestalten, sondern macht auch den Beruf interessanter für junge Leute, die sich auf höher qualifizierte Tätigkeiten wie Beratung und Controlling konzentrieren können.
Wie verändern KI und ihr Einsatz den Arbeitsalltag und den Arbeitsmarkt?
Tuomas Tahvanainen: Im allgemeinen Arbeitsalltag sind die Veränderungen noch nicht so sehr zu spüren. Aber es ist stark im Kommen. Die ersten KI-Lösungen können wir derzeit bei mittelgroßen Beratungsunternehmen sehen, wo viele vorbereitende und grundlegende Arbeiten durch KI ersetzt werden. Hier sehe ich die Chance, dass wir uns als Beratungsunternehmen frühzeitig positionieren können.
Rainer Haude: Ich empfinde die nordischen Ländern bei Digitalisierungsthemen als sehr aufgeschlossen. Im Vergleich experimentieren sie auch im Bereich KI mehr. Ich bin überzeugt, dass KI für diese Branche einen großen Wandel bringt. Vor allem die Routinetätigkeiten im Bereich Buchhaltung werden vermutlich sehr rasch durch KI-unterstützte Prozesse erledigt werden können.
Wie relevant sind Themen wie die Nachhaltigkeitsberichterstattung?
Tuomas Tahvanainen: Mehr und mehr. Ich glaube, dass wir in den kommenden zwei Jahren einen wirklichen Einfluss auf unsere Beratungsbranche sehen werden. Denn die Entwicklung geht dahin, dass auch von kleineren Unternehmen die Nachhaltigkeitsberichterstattung verlangt wird, und zwar nicht von den Behörden, sondern von größeren Unternehmen. Und kleinere Unternehmen haben das Potenzial derzeit noch nicht erkannt, sie betrachten es lediglich als Kostenfaktor.
Rainer Haude: Die ESG-Themen sind in den nordischen Ländern aus meinem Blickwinkel weit fortgeschritten. Das Thema ist präsenter als in Österreich.
Welche Trends sehen Sie für den Beruf des Steuerberaters und des Wirtschaftsprüfers?
Tuomas Tahvanainen: KI ist ein Trend, der Wellen schlägt und für Diskussionen sorgt, und Nachhaltigkeit ist definitiv eine neue Kategorie, in der noch keine Partei eine starke Position eingenommen hat.
Rainer Haude: Generell sehe ich den klaren Trend zur digitalen Buchhaltung für Unternehmen jeder Größe, vor allem aber für Klein- und Kleinstunternehmen. Hier steigt der Anspruch an digitale Zusammenarbeit, auch in Österreich. Durch den demographischen Wandel haben die Unternehmer:innen mehr Interesse zeitnah die Finanzzahlen ihres Unternehmens zu sehen.
Birgits Kreativität ist grenzenlos. Seit 2010 liefert sie als Content Manager Texte, Beiträge und Inhalte für ProSaldo.net und begeistert die Zielgruppe mit Inhalten rund um das Thema Selbstständigkeit.